Jardin de Cactus auf Lanzarote: Kakteen, Lavagestein und „Läuseblut“

Am nördlichen Ortsrand von Guatiza in Richtung Mala befindet sich das letzte große Werk von César Manrique, dem Künstler, der Lanzarote geprägt hat. Der Jardin de Cactus zählt zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten von Lanzarote und ein Besuch des Kakteengartens ist ein schöner Ausflug während eines Urlaubs auf der Kanareninsel. Auf einer Fläche von 5.000 Quadratmetern gedeihen Tausende von Kakteen, Sukkulenten und ähnliche genügsame Pflanzen. Spitze Stacheln, fleischige Blätter, wolliges Gewebe und zarte Blüten – die Kakteen gedeihen in allen Farben und Formen. Eine fantastische Anpflanzung von einheimischen und importierten Kakteen von verschiedenen Kontinenten, eingebettet in Lavasteinmauern und überragt von einer wunderschön restaurierten Gofio-Mühle, die man besichtigen kann.

Schwarzes Vulkangestein, grüne Kakteen

Jedes Jahr kommen 250.000 Kakteenliebhaber aus aller Welt in den Jardin de Cactus. Vor allem im Frühling, wenn die Kakteenblüte beginnt, steigen die Besucherzahlen. Bis in den Juni hinein blühen viele der Kakteenarten. Doch egal, zu welcher Jahreszeit – es gibt immer etwas zu entdecken!

Das Besondere: Einst war an dieser Stelle ein Steinbruch für Vulkanasche, den Manrique in einen Botanischen Garten verwandelte. In der schwarzen Lavaerde haben die überlebensfähigen Pflanzen eine Heimat gefunden und entfalten ihre volle Schönheit. Damit ist der Kakteengarten gleichzeitig auch ein Sinnbild für die karge Landschaft der Vulkaninsel Lanzarote, in der sich alles Grüne zäh behaupten muss, um überleben zu können. Das Vulkangestein speichert den Tau und ermöglicht es den Pflanzen auf der regenarmen Insel zu gedeihen – dieser Trockenfeldbau wird auf Lanzarote auch in der Landwirtschaft genutzt. Berühmtestes Beispiel ist das Gebiet von La Geria, wo auf diese Art sogar Wein angebaut wird.

Der Botanische Garten wurde terrassenförmig angelegt und ähnelt einem Amphitheater. Über Stufen und schmale Steinpfade kann man das Areal erkunden. Ich lasse mich treiben, folge den labyrinthartigen Wegen in jeden Winkel und entdecke die verschiedensten Kakteenarten zwischen Lavabrocken und hoch aufragenden Monolithen. Die Kakteen sind mit Schildern versehen, wer will, kann sich näher mit der Botanik befassen. Doch Manriques Absichten waren wohl eher künstlerischer Natur.

Eine Oase inmitten der kargen, vulkanischen Landschaft

Als wir im Jardin de Cactus ankommen, ist nicht viel los. Nach einiger Zeit wird es merklich voller, erst recht als der ein oder andere Reisebus eintrifft. Vielleicht haben wir die anfängliche Ruhe auch dem Wetter zu verdanken: Den Vormittag über hat eine Wolkendecke Lanzarote hartnäckig in Grau gehüllt, dicke Regentropfen kommen vom Himmel. Doch der Wind schiebt die Wolken beiseite und die ersten zarten Sonnenstrahlen blitzen hervor, sofort wird es warm. Wir nutzen die Gunst der Stunde und brechen von unserer Ferienwohnung in Arrieta auf zum Kakteengarten im nahe gelegenen Guatiza.

Zusammen mit der Sonne begrüßt uns das Zwitschern der Vögel und das Zirpen und Summen der Insekten. Der Boden dampft, die Regenpfützen verdunsten rasch. Der Himmel strahlt so blau wie es nur geht, als ob der Regen ihn rein gewaschen hätte. Zusammen mit dem Grün der Pflanzen und dem schwarzen oder rötlich-braunen Lavagestein bildet das einen außergewöhnlichen Kontrast, die Farben wirken intensiv wie selten. In der Mitte des Kakteengartens liegt ein kleiner Teich mit Seerosen, der mit Lavasteinen gestaltet wurde. Ein paar Goldfische ziehen langsam ihre Bahnen durch das grünliche Wasser. Inmitten der kargen Vulkanlandschaft Lanzarotes ist der Jardin de Cactus eine wahre Oase – wenn auch keine üppig grüne, sondern eine stachelig zähe.

Die alte Gofio-Mühle im Jardin de Cactus

Auf einem Hügel am nördlichen Rand des Kaktusgartens steht eine der letzten gut erhaltenen Gofio-Mühlen von Lanzarote. Gofio, so wird das Mehl aus geröstetem Getreide, wie z.B. Mais, Gerste oder Weizen, genannt. Teilweise wird auch Meersalz beigegeben.

Das Gofio-Mehl ist auf den Kanaren ein Grundnahrungsmittel mit langer Tradition und wird für die Zubereitung kanarischer Spezialitäten verwendet. Bei der traditionellen Variante wird Gofio z.B. mit Gemüse- oder Fleischbrühe, Olivenöl, Zwiebeln und Kräuter zu Brei oder Klößen verknetet. Der Gofio-Brei wird auch als Beilage zu Fleisch- oder Fischgerichten serviert. Außerdem dient das Mehl zum Eindicken von Suppen und Soßen. Bei der süßen Variante als Nachtisch kommen beispielsweise Honig, gemahlene Mandeln, Rosinen, Bananen oder Frischkäse dazu. Einst ein Arme-Leute-Essen, erlebt Gofio derzeit eine Art Renaissance.

1973 wurde die alte Mühle im Jardin de Cactus restauriert und ist auch heute noch in Betrieb. Wenn man Glück hat, kann man in einer Vorführung miterleben, wie Gofio hergestellt wird. Von der Mühle aus hat man einen perfekten Überblick über den Kakteengarten und die umliegende Landschaft.

César Manriques letztes Werk

Einst war auf dem Gelände bei Guatiza ein Picón-Grube. In dem Steinbruch (Rofera) wurde die lockere, grobkörnige Lava-Asche (Picón) abgebaut, die für den Trockenfeldanbau benötigt wird. Bauern decken mit der Vulkanasche auf ihren Feldern den Mutterboden ab, um ihn vor dem Austrocknen zu schützen. Was in der verlassenen Rofera liegen blieb, waren Monolithen aus Lavagestein, die zu hart waren, um sie zu zerkleinern.

Als César Manrique 1973 während der Renovierung der Mühle die halb verschüttete Rofera sah, weckte diese seine Kreativität. Und so entwarf der Insel-Künstler schon in den siebziger Jahren die Pläne für seinen Garten, der von der größten Cochenille-Kaktusplantage der Insel umgeben war. Vielleicht brachten ihn diese auch darauf, den alten Steinbruch mit Kakteen zu bevölkern und so ein perfektes Beispiel zu schaffen für die Wiederbelebung einer durch menschliche Nutzung zerstörten Vulkanlandschaft. Wie bei all seinen Kunstwerken ist es César Manrique auch bei der Planung des Jardin de Cactus gelungen, Kunst und Kultur mit der Natur in Einklang zu bringen.

Doch erst 1989 konnte Manrique seine Pläne im Auftrag der Inselregierung realisieren. Nach zwei Jahren Bauzeit wurde der Jardin de Cactus 1991 fertiggestellt und eröffnet. Bei der Gestaltung des Kakteengartes ließ der Künstler sich von der Architektur und Harmonie japanischer Zengärten inspirieren. Es sollte Manriques letztes großes Kunstwerk werden, denn schon kurz darauf kam er bei einem Autounfall ums Leben.

Pause vom Kakteen-Sightseeing

Gegenüber des Eingangs befindet sich neben der Mühle ein kleines Restaurant mit großer überdachter Terrasse. Manrique ließ es aus dem Vulkangestein der Region bauen und es passt sich perfekt in die Umgebung ein. Ein ideales Plätzchen, um eine wohlverdiente Pause im Schatten einzulegen und sich mit kühlen Getränken und lanzarotenischen Snacks zu stärken. Oder mal eben das WLAN zu nutzen – das funktioniert nämlich übrigens an allen Manrique-Locations bestens. Für Souvenirs und Kunsthandwerk gibt es einen kleinen Laden.

Pflicht ist außerdem ein Gang aufs stille Örtchen. Denn für die Toiletten hat sich Manrique originelle Kunstwerke für Männlein und Weiblein einfallen lassen…

Cochenille Plantagen auf Lanzarote: Das berüchtigte „Läuseblut“ im Campari

Dass César Manrique seinen Kakteengarten ausgerechnet in Guatiza plante, kommt nicht von ungefähr. Denn in der Umgebung werden schon seit jeher Kakteenplantagen bewirtschaftet. Lange bevor der Tourismus die Kanareninsel für sich entdeckte, waren riesige Kakteenfelder eine der wichtigsten Einnahmequellen. Der Anbau des Feigenkaktus hat hier eine lange Tradition. Und das hat einen ganz besonderen Grund! Denn auf den mattgrünen „Ohren“ des Feigenkaktus wird die Cochenille-Schildlaus gezüchtet. Die Läuse sehen ein bisschen so aus, als wäre der Kaktus von Schimmel überzogen. Doch wenn man genauer hinschaut, erkennt man die kleinen Viecher, die den roten Farbstoff Karmin (auch als Koschenille oder Scharlachrot bekannt) liefern.

Rot, röter, Cochenille!

Das Karminrot ließ anfangs die Rotröcke der englischen Armee in intensiver Farbe erstrahlen, später wurde Cochenille auch in Lippenstiften und im Campari verwendet. Immer wieder hört man Schauergeschichten vom Läuseblut, das angeblich für die rote Farbe sorgt. Läuseblut ist es zwar nicht, der Prozess der Farbgewinnung ist deutlich komplexer – aber nicht weniger unappetitlich… Zuerst werden die weiblichen Schildläuse getrocknet, dann in Wasser und Schwefelsäure ausgekocht, um die farbgebende Karminsäure herauszulösen. Um 50 Gramm Karmin zu bekommen, wird ein Kilo Cochenille benötigt – das entspricht rund 150.000 Schildlaus-Larven!

Eine mühsame Arbeit, kein Wunder also, dass Feigenkaktus und Schildlaus auf Lanzarote ihre Bedeutung verloren haben. Anderswo wird auch heute noch auf diese Art Karmin gewonnen, jedoch deutlich günstiger. Außerdem wird häufig an Stelle von Karmin ein synthetischer Farbstoff verwendet. Doch in rot eingefärbten Getränken und Süßigkeiten findet Cochenille auch heute teilweise noch Verwendung und ist als Lebensmittelfarbstoff E 120 zugelassen.

Rund um den Jardin de Cactus findest Du einige Kakteenplantagen, eine auch direkt gegenüber des Parkplatzes. Eine gute Gelegenheit, um sich die Cochenille-Laus mal aus der Nähe anzuschauen!

Tipps für Deinen Besuch im Kakteengarten „Jardin de Cactus“ auf Lanzarote

Da die Sonne in dem geschützten Gelände ganz schön herunterbrennen kann, solltest Du auf jeden Fall nicht vergessen, Sonnenschutz mitzunehmen (Kopfbedeckung, Sonnencreme) und genug zu trinken.

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